Corso-Gespräch - "Elser ist auf jeden Fall ein stiller Held" (2024)

Corso-Gespräch - "Elser ist auf jeden Fall ein stiller Held" (1)

Sigrid Fischer: Wenn man Ihnen so gegenübersitzt, Christian Friedel, merkt man, Sie haben viel Komik und komisches Talent, aber in Filmen scheint man Sie so nicht besetzen zu wollen, oder?

Christian Friedel: Ich frag mich auch, warum mich noch keiner für eine Komödie engagiert hat, obwohl ich jetzt im Herbst wahrscheinlich eine Komödie drehe, wenn alles gut läuft. Ich bin auch auf der Bühne, mit meiner Band, wenn ich dann wirklich mal locker bin, da ich ja nicht trinke und keine Drogen nehme, bin ein total langweiliger Schauspieler, ich muss mich dann gut fühlen, locker, jetzt zum Beispiel gewöhne ich mich gerade an die absurde Situation der vielen Interviews, und versuche auch, nicht immer die gleichen Antworten zu geben. Und meine Mama - leider lebt sie nicht mehr - aber sie hat sich immer gewünscht, dass ich viel mehr lustige Sachen spiele. Aber irgendwie mögen die Leute mich eher in den dramatischen Sachen.

Fischer: Aber der Film Russendisko war doch ein Anfang.

Friedel über seine Band Woods of Birnam

Friedel: Ja, aber auch da habe ich den melancholischen Typen gespielt, der hat jetzt nicht so viel komödiantisches Potenzial. Aber ja, auf jeden Fall war das ein Anfang.

Fischer: Ihre Band, die Sie gerade schon erwähnt haben, Woods of Birnam heißt die, das ist ja ein sehr ungewöhnliches Projekt: Sie machen aus Shakespeare Popsongs, auch der Bandname hat mit Macbeth zu tun. Aber kann man denn mit Shakespeare-Texten wirklich eine Popband etablieren?

Friedel: Ja, ich sag mal, das nächste Album, an dem wir jetzt schon arbeiten, da ist schon mein Anspruch, jetzt erst mal eigene Texte zu schreiben und mit einem Nativespeaker zusammen - weil ich mag die englische Sprache sehr, und ich find das bei der Shakespeare-Sprache super, weil das noch mal eine ganz andere Sprache ist, schon fast ausgestorbene Worte, die man kaum noch benutzt. Und das mag ich total, aber das muss man nicht - sonst ist man nachher in so einer Kunstschiene und in einer Gesetzmäßigkeit drin, die uns eher einschränkt.

Fischer: Aber das ist schon eher gediegener Kammerpop als Rockmusik, was Sie da machen, oder?

Friedel: Also, im Probenraum geht es sehr lustig zu und extrem laut, und auf der Bühne bin ich immer erstaunt, dass wir dann doch immer eher die bescheidenen Menschen sind. Aber ich finde das eigentlich sehr schön. Es bricht aus, wen es ausbricht, ganz natürlich. Aber wir sind eher, und das finde ich sehr, sehr angenehm, eine ziemlich normale, bescheidene Truppe. Wir waren neulich bei der Fünf-Millionen-Zuschauerparty beim Til Schweiger, als Band auf dem roten Teppich, und da wurde uns immer gesagt: "Ihr seid doch Rockstars, los, macht doch mal was!" Dieses Klischeebild, was manche Fotografen haben, das will man nicht immer erfüllen.

Fischer: Dass Sie ausgerechnet dem Soundtrack eines Til-Schweiger-Films einen Song beisteuern, das hat mich schon gewundert, ich habe nicht den Eindruck, dass Sie beide den gleichen Filmgeschmack teilen.

Friedel: Der Song, muss man dazu sagen, ist eigentlich für ein Theaterstück entstanden, ist auch nicht produziert worden direkt fürs Radio, und dass er ihn genommen hat, find ich toll, weil Til sagt, erst mal muss es was mit ihm machen und welches Genre, das ist, ist ihm scheißegal. Und das find ich toll. Ich weiß, dass der in der Presse sehr polarisiert und dass der auch oftmals ein bisschen belächelt wird, aber ich hab ihn jetzt, so wie ich ihn jetzt kennengelernt habe, als einen sehr familiären und einen sehr aus dem Bauch heraus agierenden Macher kennengelernt. Und das war mir sehr sympathisch. Und dass er eben sagt, ich gebe der Band die Möglichkeit und diese Plattform.

"Elser ist auf jeden Fall ein stiller Held"

Fischer: Oliver Hirschbiegel, der Regisseur von "Elser", hat Ihnen, Christian Friedel, mit der Hauptrolle in seinem Film auch eine schöne Plattform gegeben. Und es gab viele Bewerber, wie man hört, für die Rolle des Elser.

Friedel: Es ist auch ein bisschen Glück, welche Szenen zum Casting ausgewählt werden. Und ob die einem extrem nahe sind und man sofort eine Fantasie entwickelt und das mit sich verbinden kann, oder ob die extrem weit weg sind. Ich hatte mal für einen bayrischen Komödienschwank ein Casting, wo ich mich vollkommen fehl am Platz fühlte, und das hat auch nicht geklappt, und das war auch gut so, weil es wäre nicht richtig gewesen. Und beim "Weißen Band" und auch hier bei "Elser" hatte ich Casting-Szenen, die mir total nahe waren, die ich nachvollziehen konnte. Und dann versuche ich, so natürlich und glaubwürdig das zu spielen, und dann kommt da etwas zutage, wo die Leute plötzlich sehen: Aha, interessant, hätte ich nie so gedacht, dass der vielleicht für die Rolle passen könnte. Das ist dann wie so ein toller, magischer Moment, wo der Funke überspringt, und dann müssen sie mich dann nur noch bei den ganzen anderen Leuten, die mitreden, verteidigen.

Fischer: Über Georg Elser wissen wir ja gar nicht all zu viel, ihm wurde in Deutschland leider nicht sehr viel Beachtung geschenkt. Wie haben Sie sich ihn eigentlich vorgestellt?

Friedel: Es ist auf jeden Fall ein stiller Held, mir war zum Beispiel wichtig, ihm mit Bescheidenheit zu begegnen. Ich glaube, das Bild, das wir von Helden haben, das passt zu ihm nicht so richtig, sondern das ist ein - durch seine emotionale Intelligenz, durch sein Bauchgefühl, fand ich ihn so prädestinierend. Und das gepaart mit einem großen Mut und einer großen Courage und einem wahnsinnigen Willen, das ist für mich eine faszinierende Persönlichkeit, die viel zu lange nicht im kollektiven Bewusstsein verankert war. Und ich muss leider zu meiner Schande gestehen, dass ich ihn nicht kannte. Ich kann mich nicht erinnern, dass im Geschichtsunterricht dieser Name mal gefallen ist. Kann ich mich nicht dran erinnern. Bei uns war das ja auch Umbruchzeit, das Schulsystem hat sich geändert, dann kamen die Gymnasien und so, das war kein guter Unterricht. Überhaupt die Schulzeit, da hätte ich auch was anderes machen können. Gerade wenn die Interessen in den Jugendlichen inspirativ angesprochen werden müssen, kann man nicht dieses sture, blöde Lehrplanprinzip durchziehen, ich habe das gehasst, das Schulsystem, das ist einfach blöd.

Fischer: Sie haben noch zehn Jahre DDR erlebt, Sie sind in Magdeburg zur Schule gegangen, Sie leben heute in Dresden, spielen da auch Theater. Wie empfinden Sie die Stimmung dort? Haben Sie zum Beispiel Verständnis für den Unmut der Pegida-Leute?

Friedel: Ich kann diesen Unmut ganz doll verstehen, ich hab das in meiner eigenen Familie erlebt. Mein Vater war Arzt, mein Vater hat wahnsinnig geknabbert daran, an diesem komischen Privatismen-Dingsbums, Privatpraxis. Was man an Schulden hatte, was man an Verträgen unterschrieben hat, was da für Arschlöcher kamen, sozusagen, die einen verführt haben und ausgenutzt haben. Und dass man gearbeitet und gearbeitet hat, aber es gab keine Lohnanpassung an den Westen. Also deshalb kann ich den Unmut verstehen.

Ich kann nur nicht verstehen, dass man weiß, dass sich da rechte und populistische Tendenzen hineinmischen, und dass man da trotzdem montags sich dieser Masse anschließt. Und da merke ich, die Menschen sind letztendlich bequem, und ich muss mir auch eine Scheibe abschneiden, man hat in diesem Land die Möglichkeit, sich politisch zu informieren, und das sollte man auch tun. Das lehrt uns zum Beispiel auch dieser Film. Deswegen, finde ich, kommt der auch zur absolut rechten Zeit. Weil ich habe mich im Film gesehen, wie ich die Leute beobachte, wie sie der Euphorie gefolgt sind, wie sich Menschen in dem kleinen Umfeld dieses Dorfes verändert haben. Und jetzt sehe ich in den Straßen, wie die Menschen da hinterher laufen, wo ich merke: Uh, irgendwie ist das unheimlich, teilweise.

"Plötzlich so einen blöden Druck"

Fischer: Ihre feste Ensemblearbeit am Theater in Dresden haben Sie vor zwei Jahren beendet, Sie wollen bald nach Berlin ziehen. Schlagen Sie damit ein neues Kapitel auf in Ihrer Biografie?

Friedel: Ich finde es ganz wichtig, weiter zu ziehen und sich anderen Städten, anderen gesellschaftlichen Schichten, anderen Begegnungen hinzugeben. Und auch im Theater länger als fünf Jahre zu bleiben, ist für mich strange. Ich brauche die Abwechslung. Ich hoffe sehr, dass das Publikum versteht, dass man als Künstler dieses Zigeunertum, the rolling stone, in sich hat, und dass man das braucht, um weiter zu gehen. Ich hab Angst davor, zu stagnieren, und ich habe Angst davor, bequem zu werden. Aber ich werde immer wieder zurückkommen, weil auch die Band dort trotzdem verankert bleibt. Vielleicht gibt es immer noch ein Köfferchen, wie man so schön sagt, in Dresden.

Fischer: Bisher ist der Name Christian Friedel noch nicht jedem bekannt. Das wird sich mit dem Film "Elser" vermutlich ändern, sagen Sie: zum Glück?

Friedel: Ich find das schon toll, wenn sich in der Aufmerksamkeit was verändern würde. Was ich nicht gut finden würde, ist, dass man dann plötzlich so einen blöden Druck hat, irgendwelchen Erfolgen hinterher zu rennen, oder zu einer Marke wird, die nur in bestimmten Genres eingesetzt wird. Das fänd ich dann ziemlich blöd und langweilig und einschränkend. Das ist ja auch ein Nachteil vom berühmt sein - in Deutschland, muss man sagen, weil in Deutschland merkt man die Lust, einen Menschen hochzubringen und den Menschen auch gleichzeitig wieder niederzuschreiben. Und da muss man stark sein, und ich glaube, wenn man da nach wie vor ein gutes Team um sich hat und gute Rollen zu spielen bekommt, dann nehm ich gerne auch die Portion Ruhm mit, die vielleicht kommt.

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